Präzise, individuell, schonend

Die Strahlentherapie ist eine der wichtigsten Säulen in der modernen Krebsbehandlung und entwickelt sich durch technologische Innovationen stetig weiter.

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„Dank der rasanten technologischen Fortschritte wird die Strahlentherapie immer gezielter und individueller. Sie hat das Potenzial, Krebsbehandlungen nicht nur effektiver, sondern auch schonender zu gestalten.“

Prof. Dr. med. Stefanie Corradini, Oberärztin und stellvertretende Direktorin der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie am LMU Klinikum, München

Die Zukunft der Strahlentherapie

Die Strahlentherapie ist eine der wichtigsten Säulen in der modernen Krebsbehandlung und entwickelt sich durch technologische Innovationen stetig weiter. Frau Prof. Dr. med. Stefanie Corradini, Oberärztin und stellvertretende Direktorin der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie am LMU Klinikum und eine führende Expertin auf diesem Gebiet, spricht in diesem Interview im Rahmen des DACH Strahlentherapie Symposiums bei Brainlab über die neuesten Fortschritte in der Bildgebung, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und die Möglichkeiten der adaptiven Strahlentherapie. Sie erläutert, wie diese Entwicklungen zu einer präziseren, individuelleren und schonenderen Behandlung führen und welche Herausforderungen die Zukunft der Strahlentherapie mit sich bringt. 

Frau Prof. Dr. Corradini, die Strahlentherapie hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Welche technischen Fortschritte sehen Sie aktuell als besonders relevant an?

Die Strahlentherapie ist ein hochdynamisches Feld, das sich kontinuierlich durch technologische Innovationen erneuert. In den letzten Jahren haben wir vor allem große Fortschritte in der Bildführung gemacht. Hochpräzise bildgebende Verfahren ermöglichen eine exakte Lokalisation des Tumors während der Bestrahlung. Dazu gehören Technologien wie MR-Linac-Kombinationsgeräte und Cone-Beam-CTs, die eine individuelle Anpassung der Bestrahlung in Echtzeit erlauben. Auch die Künstliche Intelligenz (KI) spielt eine immer wichtigere Rolle, insbesondere bei der automatisierten Segmentierung von Risikoorganen und in der Strahlendosisplanung. 

Welche konkreten Vorteile bringen diese Technologien für Patienten?

Der größte Vorteil ist die höhere Präzision der Strahlenapplikation, was zu einer besseren Tumorkontrolle bei gleichzeitig geringeren Nebenwirkungen führt. Beispielsweise können wir bei der Brustkrebsbestrahlung durch Atemanhaltetechniken das Herz auf der linken Seite besser schützen. Moderne Systeme sorgen dafür, dass die Bestrahlung nur dann erfolgt, wenn der Patient die optimale Position einnimmt. Ein weiteres Beispiel ist die Radiochirurgie, bei der wir mit extrem hohen Strahlendosen gezielt Metastasen im Gehirn oder in der Lunge behandeln können. Dabei sind wir heute in der Lage, millimetergenau zu bestrahlen und umliegendes gesundes Gewebe bestmöglich zu schonen. 

Welche Rolle spielt die Künstliche Intelligenz in der Strahlentherapie?

KI hat mittlerweile in mehreren Bereichen der Strahlentherapie Einzug gehalten. Besonders im Bereich der Autosegmentierung und Autoplanung ist sie eine große Unterstützung. Früher mussten wir Risikoorgane manuell konturieren, was mehrere Stunden in Anspruch nahm. Heute erledigt ein KI-Algorithmus diese Arbeit in wenigen Sekunden. Trotzdem bleibt die Endkontrolle in der Hand des behandelnden Arztes. Auch in der Nachsorge eröffnet KI neue Möglichkeiten: Sie kann Metastasenverläufe verfolgen und Ärzte bei Therapieentscheidungen unterstützen, indem sie große Datenmengen analysiert und vergleichbare Fälle auswertet. 

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Die Brainlab Software Elements Retreatment Review ermöglicht Ärztinnen und Ärzten einen Überblick über alle bisher erfolgten radiochirurgischen Behandlungen von Hirnmetastasen sowie über den aktuellen Patientenstatus und unterstützt damit bei der Entscheidungsfindung für eventuell notwendige Nachbehandlungen.

Sie haben bereits adaptive Strahlentherapie erwähnt. Was genau bedeutet das?

Adaptive Strahlentherapie bedeutet, dass wir die Bestrahlung in Echtzeit an die aktuellen anatomischen Gegebenheiten des Patienten anpassen. Normalerweise planen wir die Therapie auf Basis eines CTs, das einige Tage vor der ersten Bestrahlung aufgenommen wird. Doch die Anatomie kann sich täglich ändern – beispielsweise durch unterschiedliche Füllzustände des Magens oder eine Veränderung der Tumorgröße. Mit modernen MR-gesteuerten Geräten oder hochauflösenden Cone-Beam-CTs können wir nun direkt vor der Bestrahlung ein neues Bild anfertigen und gegebenenfalls den Bestrahlungsplan anpassen. Das erhöht die Präzision erheblich. 

Gibt es auch Entwicklungen in der Patienteninteraktion oder -sicherheit?

Absolut. Moderne Bestrahlungssysteme sind nicht nur präziser, sondern auch sicherer. Zum Beispiel werden Behandlungen bei unvorhergesehenen Bewegungen des Patienten automatisch unterbrochen. Ein weiteres Beispiel ist die personalisierte Therapieplanung. Während früher eine standardisierte Dosis verabreicht wurde, berücksichtigen wir heute individuelle Faktoren wie Tumorbiologie, genetische Marker und Vorerkrankungen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Strahlentherapie, Radiologie und Onkologie wird ebenfalls immer wichtiger, um eine umfassende und präzise Behandlung zu gewährleisten. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Strahlentherapie?

Ich bin überzeugt, dass wir uns immer weiter in Richtung personalisierte Präzisionsonkologie bewegen werden. Das bedeutet, dass wir bald in der Lage sein werden, die Therapie für jeden einzelnen Patienten, basierend auf biologischen und bildgebenden Daten, zu personalisieren. Dazu gehört auch der verstärkte Einsatz von KI zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen, etwa bei der Bestimmung der optimalen Bestrahlungsdosis. Zukünftige Behandlungsverfahren werden noch gezielter auf Tumore wirken und umliegendes Gewebe noch besser schonen können. 

Welche Herausforderungen sehen Sie in diesem Entwicklungsprozess?

Die größte Herausforderung liegt in der Implementierung dieser Technologien in die klinische Routine. Neue Verfahren sind oft sehr kostspielig und es erfordert Zeit, bis sie flächendeckend verfügbar sind. Zudem müssen Ärzte und medizinisches Personal kontinuierlich geschult werden, um die neuen Technologien optimal nutzen zu können. Eine weitere Herausforderung ist die Integration und Vernetzung von Patientendaten über verschiedene Fachbereiche hinweg, damit Diagnostik und Therapie noch besser aufeinander abgestimmt werden können. 

Welche letzten Gedanken möchten Sie unseren Lesern mitgeben?

Die Strahlentherapie entwickelt sich rasant weiter und hat das Potenzial, Krebsbehandlungen effektiver und schonender zu gestalten. Der technologische Fortschritt ermöglicht uns immer präzisere und individuellere Therapien. Gleichzeitig bleibt der menschliche Faktor unverzichtbar: Die beste Technologie ersetzt nicht das ärztliche Urteilsvermögen und die einfühlsame Betreuung von Krebspatienten. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden Jahren noch viele spannende Fortschritte erleben werden. 

www.brainlab.com/de/

www.lmu-klinikum.de/

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