Abrechnung von KI-Leistungen in der Radiologie

Das Gesundheitswesen befindet sich derzeit in einer digitalen Transformation.Die KI ist von steigender Relevanz in der radiologischen Diagnostik.

Abrechnung von KI-Leistungen in der Radiologie

Das Gesundheitswesen befindet sich derzeit in einer digitalen Transformation. Insbesondere die Künstliche Intelligenz (KI) kommt in der Medizintechnik zur Anwendung und ist von steigender Relevanz in der radiologischen Diagnostik.

Während die KI-Lösungen mitunter einen signifikanten medizinischen Mehrwert bieten und eine Übernahme der Kosten für PKV-Versicherte regelmäßig unproblematisch möglich ist, ist die Zulässigkeit der Abrechnung dieser Leistungen gegenüber GKV-Patienten noch nicht abschließend geklärt.

In rechtlicher Hinsicht besteht das Erfordernis, dass die KI-Leistungen noch nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind. Dies ist anhand der konkreten Anwendung immer bezogen Abrechnung von KI-Leistungen in der Radiologie auf den Inhalt der jeweiligen Gebühren-ordnungsposition (GOP) im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) zu prüfen. Geschieht dies nicht, wird die KI-Leistung durch den Radiologen unrechtmäßig gegenüber dem Patienten abgerechnet, woraus sich erhebliche rechtliche Konsequenzen für ihn ergeben können.

Rechtsanwalt Professor Dr. Peter Wigge aus Münster erklärt im Interview mit Guido Gebhardt, worauf bei der Abrechnung von KI-Leistungen durch Fachärzte für Radiologie zu achten ist.

„ Dass KI insbesondere in der Medizin einen erheblichen Nutzen hat...
„ Dass KI insbesondere in der Medizin einen erheblichen Nutzen hat und immense Chancen birgt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Daneben werden jedoch auch zusätzliche rechtliche Herausforderungen eröffnet.“ Prof. Dr. Peter Wigge, Honorarprofessor an der Universität Münster und Fachanwalt für Medizinrecht

Was unterscheidet KI-Produkte, die gegenüber gesetzlich krankenversicherten Patienten als privatärztliche Leistung abgerechnet werden können, von solchen, die gegenüber GKV-Patienten nicht geson-dert abgerechnet werden können?

Zur Beantwortung dieser Frage ist immer eine Einzelfallprüfung erforderlich. Eine unmittelbare Abrechnung gegenüber einem gesetzlich krankenversicherten Patienten (GKV-Patient) durch einen Arzt ist nur möglich, wenn die von ihm erbrachte Leistung nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist. Da in der GKV das sog. Sachleistungs-prinzip gilt, sind Leistungen gegenüber GKV-Patienten vom Arzt kostenfrei als Sach- und Dienstleistungen zu erbringen. Der Arzt muss zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sein und seine Leistungen auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen.

Ärztliche Leistungen können nur dann gegenüber GKV-Patienten nach Maßgabe der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet werden, wenn sie nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher die schriftliche Zustimmung des Versicherten eingeholt und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde. Hierunter fallen insbesondere sog. individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die als privatärztliche Leistungen nach der GOÄ abgerechnet werden.

Es ist daher vom Arzt zu prüfen, ob die Leistung, die die KI erbringt, Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist. Für KI-Produkte, die als Medizinprodukte zu qualifizieren sind, existieren keine gesetzlichen Regelungen zur Erstattungsfähigkeit im SGB V, sodass es darauf ankommt, ob diese Teil einer ärztlichen Behandlung sind.

Das ist der Fall, wenn eine Leistung im vertragsärztlichen Gebührenverzeichnis des EBM aufgeführt oder Teil einer Gebührenordnungsposition (GOP) ist. Der EBM stellt eine abschließende Grundlage für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen dar und ist, anders als die GOÄ, nicht analogiefähig. Die jeweilige KI-Leistung muss daher Bestandteil des EBM sein. Für KI-Leistungen der radiologischen Befundung und Bildauswertung ist vor allem das Kap. 34 des EBM relevant.

Können Sie dies anhand eines Beispiels erklären?

Die Anforderungen lassen sich am Osteoporose-Scoring und an der Erkennung von Lungenrundherden darstellen. Beides sind von einer KI technisch erbringbare Leistungen. Die Abrechenbarkeit gegenüber GKV-Patienten ist dennoch unterschiedlich zu bewerten. Die Frage ist, ob das Osteoporose-Scoring als KI-Leistung Bestandteil einer GOP des EBM ist.

Beim Osteoporose- Scoring wird das Osteoporose-Risiko anhand von Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen bewertet. Die Messung der Knochendichte erfolgt dabei nicht anhand der DXA-Methode unter Bestimmung des T-Scores. Festzustellen ist, dass der EBM die GOP 34600 und die GOP 34601 für die Osteodensitometrie vorsieht. Sowohl für die GOP 34600 EBM als die GOP 34601 EBM ist obligater Leistungsinhalt, dass die osteodensitometrische Untersuchung mittels einer zentralen DXA durchgeführt wird.

Die DXA ist eine spezielle Untersuchungsmethode, die die Anwendung von Röntgenstrahlung voraussetzt. Daher sind die GOP 34600 und 34601 EBM mangels Röntgenstrahlung von vorneherein abrechnungstechnisch nicht einschlägig, wenn zur Ermittlung des Osteoporose-Risikos ein MRT zur Anwendung kommen soll.

Liest man den obligaten Leistungsinhalt der GOP 34600 und der 34601 EBM, ergeben sich weitere Anhaltspunkte dafür, dass die KI-Leistung auch bei Röntgen- und CT-Aufnahmen nicht unter diese GOP fällt und daher zusätzlich abgerechnet werden kann. Darüber hinaus sind weitere Gebührenordnungspositionen des EBM, wie die GOP 34311, 34411, 34221, 34222 EBM daraufh in zu prüfen. Die vorbenannten GOP haben gemein, dass die Überschrif-ten der GOP „CT-Untersuchung“, „MRT-Untersuchung“ oder „Aufnahme“ (bei Röntgenaufnahmen) lauten und den Begriff der „Befundung“ nicht enthalten.

Daher ist hier zu prüfen, ob die Befundung ebenfalls Leistungsbestandteil der vorbenannten GOP ist. Diese Prüfung ist erforderlich, da die Leistung der KI im Rahmen der Auswertung der Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen und damit während der Befundung erfolgt. Wäre beispielsweise im Rahmen der GOP 34311 EBM die Befundung nicht Leistungsbestandteil, wäre die Ermittlung des Osteoporose-Risikos durch die KI bereits aus diesem Grund nicht von der GOP erfasst. Sofern die Befundung der Röntgen-, CTund MRT-Aufnahmen generell Bestandteil der genannten GOP des EBM ist, ist zu prüfen, ob das Osteoporose-Scoring als KI-Leistung ebenfalls zu den Leistungsinhalten der GOP gehört.

Dagegen spricht, wenn die KI-Leistung vom Wortlaut und Sinn und Zweck nicht Gegenstand der GOP ist. Kann der Radiologe die Leistung, die die KI zum Gegenstand hat, im Rahmen seiner Befundung aus technischen oder medizinischen Gründen objektiv nicht persönlich durchführen, ist ebenfalls nicht davon auszugehen, dass die KI-Leistung im Rahmen des Osteoporose-Scorings Bestandteil des EBM ist.

Diese Prüfung ist ebenso bei der Erkennung von Lungenrundherden im Rahmen einer CT-Untersuchung des Thorax nach GOP 34330 EBM vorzunehmen, wenn hier eine KI zur Anwendung kommt. Es ist zu bewerten, ob diese Leistung auch von einem Radiologen ohne Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel erbracht werden kann. Soweit dies bejaht werden kann, ist die KI-Leistung Bestandteil der GOP 34330 EBM und daher gegenüber dem Patienten als zusätzliche privatärztliche Leistung auf der Grundlage der GOÄ nicht gesondert abrechnungsfähig.

Wie bewerten Sie die Erbringung von KI-Leistungen, die nicht die Abrechnungsvoraussetzungen erfüllen und welche rechtlichen Konsequenzen können sich hieraus für den Arzt ergeben?

Es gibt Anbieter von KI-Leistungen im Markt, die für eine Vielzahl radiologischer Leistungen zusätzliche KI-Leistungen anbieten und diese gegenüber GKV-Patienten ohne nähere Begründung für abrechenbar erklären.

An der rechtlichen Zulässigkeit dieser Vorgehensweise bestehen erhebliche Zweifel. Ohne eine inhaltliche Überprüfung der radiologischen GOP-Ziffern im EBM, ob die angebotene KI-Leistung bereits in diesen GOP enthalten ist und damit bereits zum Leistungskatalog der GKV gehört sowie der anschließenden Beantwortung der Frage, nach welchen Leistungsziffern der GOÄ die KI abrechenbar ist, besteht das Risiko, dass die zusätzliche Abrechnung gegenüber dem GKV-Patienten rechtswidrig ist, sodass der Arzt zur Abrechnung der KI nicht berechtigt ist.

Ein solches Vorgehen kann erhebliche rechtliche Folgen für den Arzt haben. Einerseits verstoßen Vertragsärzte, die Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung an Stelle der ihnen zustehenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten. Dies kann disziplinarische und zulassungsrechtliche Konsequenzen der Kassenärztlichen Vereinigung zur Folge haben.

Ist die KI Bestandteil einer GOP im EBM, liegt zudem ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abrechnung vor, der durch die Kassenärztliche Vereinigung, die Ärztekammer und die Approbationsbehörde geahndet werden kann.

Am bedeutsamsten ist jedoch, dass eine zusätzliche privatärztliche Abrechnung von ärztlichen Leistungen, die Bestandteil des EBM sind und auf die der GKV-Versicherte daher einen Sachleistungsanspruch hat, einen strafbaren Abrechnungsbetrug zum Nachteil des Patienten darstellt, der mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann.

Zudem besteht in diesen Fällen ein Honorarrückforderungs- und Schadensersatzanspruch des Patienten gegenüber dem Arzt, wenn dieser die KI-Leistung in unzulässiger Weise privatärztlich erbringt und nach der GOÄ abrechnet.

Aufgrund der rechtlichen Unsicherheiten, die gegenwärtig im Zusammenhang mit der Abrechnung von radiologischen KI-Leistungen gegenüber GKV-Versicherten bestehen, ist es daher für den Arzt ratsam, sich von einem im ärztlichen Gebührenrecht versierten Spezialisten beraten zu lassen, bevor er diese Leistungen erbringt und abrechnet.




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Die Rechtsanwälte Wigge in Münster sind eine bundesweit tätige Rechtsan-waltskanzlei, die sich auf das Medizin-und Gesundheitsrecht spezialisiert hat. Ihr Tätigkeitsprofi l umfasst unter anderem das Arzt- und Zahnarztrecht, Krankenhausrecht, Arzneimittel- und Medizinprodukterecht sowie das Apo-thekenrecht. Sie bieten umfassende Beratung zu me-dizinischen Kooperationen, Vergütung und Abrechnung, Praxisabgabe und -übernahme sowie zu medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Berufs-ausübungsgemeinschaft en (BAG) an. Ein langjähriger Schwerpunkt liegt im Bereich des Fachgebietes Radiologie, welches in allen Rechtsfragen hoch-spezialisiert von den Rechtsanwälten beraten und unterstützt wird. Die Kanzlei wurde von Prof. Dr. Peter Wigge gegründet, der Fachanwalt für Medizinrecht und Honorarprofessor an der Universität Münster ist. Er ist zudem Justiziar der Deutschen Rönt-gengesellschaft und engagiert sich in der Hochschulausbildung und in einem Masterstudiengang im Bereich des Medizinrechts.

www.ra-wigge.de

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