Auf der Veranstaltung „RSNA Update – Neuroradiologie“, die am 10. und 11. Januar 2025 in Köln im Maternushaus stattfand, ging es zum einen um ein Update der Modalitätenhersteller, die dort traditionell ihre Innovationen aus den Bereichen CT und MR vorstellen. Zum anderen setzt sich die von Univ. Prof. David Maintz, Prof. Dr. Dr. Nils Große Hokamp, Prof. Barbara Krug und Univ. Prof. Marc Schlamann organisierte Veranstaltung natürlich ebenfalls mit den medizinischen Neuerungen auseinander, die auf dem RSNA in Chicago im Dezember 2024 präsentiert wurden.
Prof. Jörg Barkhausen stellte in der Highlight-Session mit seinem Vortrag „Zukunft der Radiologie aus Sicht der DRG“ – unter der besonderen Berücksichtigung europäischer Aspekte – den wirklichen Höhepunkt der Veranstaltung dar, indem er auf seine langjährigen Erfahrungen insbesondere als ehemaliger Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft zurückblicken konnte. Außerdem berichtete er vom Annual Leadership-Meeting der ESR, an dem er am 22.November 2024 in Rom teilnehmen konnte.
Die Zukunft der Radiologie: Herausforderungen und Chancen
Die Radiologie steht vor bedeutenden Veränderungen, die sowohl Herausforderungen als auch große Chancen mit sich bringen. Beim Leadership-Meeting der Europäischen Röntgengesellschaft (ESR), an dem auch Prof. Barkhausen teilgenommen hat, wurden zentrale Themen der Zukunft diskutiert: kardio- logische Bildgebung, präventive Bildge- bung, Künstliche Intelligenz (KI) und der zunehmende Fachkräftemangel. Diese Themen bestimmen auch die Agenda der deutschen Radiologie.

„Während sich die Kardio-CT in England als bahnbrechende Methode etabliert hat und zu einem Rückgang invasiver Eingriffe führte, steckt die Methode in Deutschland noch in der Implementierung.“
Prof. Dr. Jörg Barkhausen, Direktor der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Campus Lübeck
Kardiologische Bildgebung: Ein Game-Changer
Die kardiologische Bildgebung hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Besonders das Kardio-CT hat sich als bahnbrechende Methode etabliert und verändert die Rolle der Radiologen grundlegend. In Deutschland steckt die Methode noch in der Implementierung, während andere Länder wie Dänemark und England bereits Erfolge verzeich- nen. In England führte die konsequente Anwendung von Kardio-CT zu einem Rückgang invasiver Eingriffe. Diese Entwicklung zeigt, dass Radiologen aktiv an der Patientenversorgung teilnehmen und damit ihre Sichtbarkeit im medizini- schen System deutlich erhöhen können.
Prof. Barkhausen betont, dass die Einführung neuer Methoden nicht nur eine Frage technischer Innovation ist, sondern auch eine organisatorische und politische Herausforderung darstellt. Es bedarf klarer Regelungen, um sicherzustellen, dass Radiologen in Deutschland diese Techniken optimal nutzen können und nicht von anderen Fachdisziplinen verdrängt werden.
Lungenkrebs-Früherkennung: Ein europäisches Vorbild?
Die Lungenkrebs-Früherkennung mittels Niedrigdosis-CT ist international etabliert und reduziert nachweislich die Mortalität. Dennoch gibt es in der EU bisher keine flächendeckenden Empfehlungen für ein strukturiertes Screening-Programm. Während ein Land wie Kroatien bereits Vorreiter in der Implementierung ist, wird die Methode in Deutschland voraussichtlich erst 2026 für gesetzlich versicherte Personen mit erhöhtem Lungenkrebsrisiko verfügbar sein. Ein wichtiger Fortschritt war der Beleg für den Nutzen des Screenings in einem aktuellen Evidenzbericht, was die Grundlage für eine zukünftige Vergütung und Implementierung in Deutschland schafft.
Auch hier hebt Prof. Barkhausen hervor, dass die Radiologie aktiv auf gesundheitspolitische Gremien einwirken muss, um die Bedeutung dieser Früherkennungsmethoden sichtbar zu machen und sie in die Routineversorgung zu überführen.

„Während die Freitagsthemen traditionell unter dem Motto des RSNA 2024 stehen, ist der Samstag mit vielseitigen Vorträgen inhaltlich ganz der Neuroradiologie gewidmet.“
Univ. Prof. David Maintz, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Uniklinik Köln
Künstliche Intelligenz: Hoffnung oder Risiko?
KI ist eines der meistdiskutierten Themen in der Radiologie. Ihre Anwendung reicht von der Bildrekonstruktion bis zur automatisierten Befundung. Trotz zahlreicher Potenziale gibt es erhebliche Herausforderungen: Die wissenschaftliche Validierung vieler KI-Anwendungen ist unzureichend, die Erklärbarkeit der Algorithmen bleibt ein Problem, und Haftungsfragen sind noch ungeklärt. Ein weiteres Hindernis stellt der EU Artificial Intelligence Act dar, dessen strenge Regularien Innovationen in Europa erschweren könnten. Zudem zeigen Studien, dass KI in der Radiologie nicht zwangsläufig zu einer Arbeitsentlastung führt, sondern in manchen Fällen den Arbeitsdruck erhöht.
Prof. Barkhausen verweist auf die Notwendigkeit, den Einsatz von KI kritisch zu evaluieren und die wissenschaftliche Evidenz kontinuierlich zu verbessern. Es ist essenziell, dass Radiologen an der Entwicklung und Implementierung dieser Technologien beteiligt sind, um sicherzustellen, dass sie den tatsächlichen klinischen Bedürfnissen entsprechen.
Fachkräftemangel: Eine wachsende Krise
Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für die Radiologie. In ganz Europa klafft eine immer größere Lücke zwischen der steigenden Nachfrage nach diagnostischen Leistungen und der Anzahl qualifizierter Radiologen. Eine Studie aus England zeigt, dass die Zahl der CT- und MR-Untersuchungen jährlich um 11 % steigt, während die Zahl der Radiologen nur um 6 % wächst. KI allein wird dieses Problem nicht lösen, daher sind strategische Maßnahmen zur Nachwuchsförderung und effizienteren Arbeitsprozessen essenziell.
Zukunft gestalten: Was die Radiologie tun muss
Um die Zukunft der Radiologie aktiv zu gestalten, sind mehrere Maßnahmen erforderlich:
- Strukturierte Weiterbildung Nachwuchsförderung und eine klare Ausbildungsstruktur sind essenziell, um die Fachkompetenz aufrechtzuerhalten.
- Patientenzentrierte Radiologie Die Radiologie muss sich stärker an Leitlinien orientieren und verstärkt in die Patientenversorgung integriert werden.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit Kooperation mit anderen Fachrichtungen ist entscheidend für eine erfolgreiche Implementierung neuer Methoden.
- Politisches Engagement Radiologen müssen sich verstärkt in gesundheitspolitische Prozesse einbringen, um die Rahmenbedingungen der Radiologie aktiv mitzugestalten.
- Gezielte Nutzung von KI KI sollte dort eingesetzt werden, wo sie effektiv unterstützt, aber nicht unkritisch als Allheilmittel betrachtet werden.
- Evidenzbasierte Forschung Es bedarf großer, qualitativ hochwertiger Studien, um den Nutzen radiologischer Verfahren zu belegen und deren Anwendung langfristig zu sichern.
Kooperation von DRG und DGIR: Ein entscheidender Erfolgsfaktor
Ein weiterer zentraler Punkt, um die Radiologie sichtbarer zu machen, ist die enge Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und der Deutschen Gesellschaft für Inter- ventionelle Radiologie (DGIR). Prof. Bark- hausen betont, dass diese Kooperation in
den letzten Jahren erheblich verbessert wurde und entscheidend für die Weiterentwicklung der Radiologie in Deutsch- land ist. Die enge Abstimmung zwischen den Fachgesellschaften ermöglicht es, gemeinsame Ziele zu formulieren und mit einer starken Stimme in politischen und wissenschaftlichen Gremien aufzutreten.
Fazit
Die Radiologie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Neue Technologien bie- ten enorme Chancen, stellen aber auch Herausforderungen dar. Die Zukunft der Radiologie wird davon abhängen, wie gut sich das Fach auf diese Veränderungen einstellt und strategische Entscheidungen trifft. Wenn Radiologen aktiv an der Gestaltung ihrer Disziplin mitwirken, wird die Zukunft der Radiologie nicht nur gesichert, sondern auch erfolgreich weiterentwickelt. Prof. Barkhausen betont abschließend, dass die Radiologie durch interdisziplinäre Zusammenarbeit, gesundheitspolitisches Enga- gement und innovative Forschung ihre Rolle in der modernen Medizin weiter stärken kann.

Die Highlight-Session von Prof. Jörg Barkhausen befasste sich mit dem Thema „Zukunft der Radiologie aus Sicht der DRG“ – unter der besonderen Berücksichtigung europäischer Aspekte.
