Intelligente Bildgebung in der Angiographie
Die diagnostische und interventionelle Angiographie hat sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Wo früher vor allem die technische Ausstattung der Angiographieanlagen im Fokus stand, rückt heute die intelligente Verarbeitung und Optimierung von Bilddaten in den Mittelpunkt. Vier Beispiele für Technologien und Systeme, die hervorstechen, sind OptiQ von Siemens Healthineers, Alpha Evolve von Canon Medical Systems, die Dynamic Coronary Roadmap von Philips sowie das Allia IGS 7 von GE HealthCare. Sie alle verfolgen ein Ziel: die Bildqualität zu verbessern, die Strahlenbelastung zu senken und die klinische Entscheidungsfindung zu unterstützen.
KI-gesteuerte Optimierung in Echtzeit
Mit dem OptiQ-System stellt Siemens Healthineers einen neuen Ansatz zur Belichtungsautomatik in der Angiographie vor. Das Besondere an OptiQ ist die Verwendung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses als Zielgröße. Ziel ist es, die Bildqualität konstant zu halten und die Bildempfängerdosis zu minimieren.
„OptiQ basiert auf einem Algorithmus, der kontinuierlich relevante Parameter wie Patientengeometrie, Detektorposi-tion, Röntgenspektrum und Dosis analysiert. Je nach untersuchtem Gefäßgebiet – sei es im Neuro-, Herz- oder peripheren Bereich – passt sich das System dynamisch an“, erklärt Dipl.-Phys. Bernhard Renger vom Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, auf dem R3-Imaging Kongress im September 2024 in Konstanz. Durch die Wahl des Zielmaterials (z. B. des Katheters) und der gewünschten Bildqualität kann vorgegeben werden, ob beispielsweise eine höhere Kontrastschärfe oder eine geringere Dosis priorisiert werden soll.
Siemens spricht in diesem Zusammenhang von „intelligenter Bildqualität“. Ein konkreter Vorteil zeigt sich etwa bei komplexen Interventionen, bei denen verschiedene Projektionswinkel, Zoomstufen oder Bildfrequenzen nötig sind. OptiQ sorgt in diesen Fällen dafür, dass die Bildgebung immer im optimalen Spannungsfeld zwischen Qualität und Strahlenschutz liegt, ohne dass der Anwender permanent manuell eingreifen muss. So unterstützt das System nicht nur die Bildqualität, sondern reduziert auch die kognitive Belastung der Radiologen und Interventionisten.

Flexibilität trifft Deep Learning
„Mit Alpha Evolve hat Canon ein Konzept vorgelegt, das über klassische Bildoptimierung hinausgeht und die gesamte Bildgebungsarchitektur neu denkt. Herz-stück ist ein neues Hardware- und Software-Ökosystem, das Deep Learning-Algorithmen mit hoher Systemintegration kombiniert“, sagt Bernhard Renger über die KI-Technologie von Canon.
Ein wesentliches Feature von Alpha Evolve ist die sogenannte Adaptive Intelligence. Diese nutzt trainierte neuronale Netze, um Bildrauschen zu reduzieren, die Ränder von Gefäßen klarer darzustellen und Bewegungsartefakte zu korrigieren – ein entscheidender Faktor insbesondere bei kardialen Interventionen oder bei unruhigen Patienten. Dabei kommt Canons Erfahrung mit KI-gestützter CT- und MRT-Bildgebung direkt der Angiographie zugute.
Das System erlaubt eine fein granulare Steuerung der Bildparameter, sowohl automatisch durch die KI als auch manuell durch den Operator. Canon hebt insbesondere die Fähigkeit hervor, dass Alpha Evolve auch bei sehr niedriger Dosis diagnostisch hochwertige Bilder liefert – eine Eigenschaft , die sowohl für die Patientensicherheit als auch für die Nachverfolgbarkeit von Langzeitinterventionen relevant ist.
Interessant ist auch die modulare Struktur des Systems. Canon verfolgt mit Alpha Evolve ein langfristiges Upgrade-Modell: Neue Software-Features oder Bildverarbeitungsalgorithmen können schrittweise integriert werden, ohne dass die gesamte Anlage ersetzt werden muss. Damit setzt Canon auf Zukunftssicherheit in der Investitionsplanung.

Navigationshilfe für die Kardiologie
Die Dynamic Coronary Roadmap (DCR) von Philips ist ein Assistenzsystem, das speziell für koronare Interventionen entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um eine Art Echtzeit-Navigationshilfe, die während der Prozedur eine kontinuierlich aktualisierte „Karte“ der Koronararterien bereitstellt.Die Grundidee ist simpel, aber wirkungsvoll: Während der Live-Durchleuchtung werden die initialen Kontrastbilder mit einem dynamischen Modell des Koronarsystems kombiniert. Dieses Modell wird anschließend mit der Bewegung des Katheters synchronisiert. So entsteht eine virtuelle Roadmap, die sich mit dem Patienten bewegt und dabei hilft, Drähte und Katheter präzise durch komplexe Gefäßstrukturen zu navigieren – selbst bei stark verwundenen oder stenotischen Segmenten.
„Besonders hilfreich ist DCR bei Pati-enten mit instabiler Herzfrequenz oder unregelmäßigem Atemmuster. Da die Karte nicht statisch ist, sondern sich der physiologischen Bewegung anpasst, bleibt die Orientierung auch unter schwierigen Bedingungen erhalten,“ führt Bernhard Renger in seinem Vortrag aus. Philips betont, dass dadurch nicht nur die Prozedurzeit verkürzt, sondern auch der Kontrastmittelverbrauch reduziert werden kann – ein signifi kanter Vorteil für niereninsuffiziente Patienten.
Darüber hinaus bietet die Dynamic Coronary Roadmap eine Integration mit anderen Systemen der Philips Azurion Plattform. So lassen sich etwa IVUS- oder FFR-Daten in Echtzeit in die Darstellung integrieren, was eine multiparametrische Entscheidungsunterstützung ermöglicht.

KI und Ergonomie im Fokus
Mit der Allia IGS 7 Plattform hat GE HealthCare ein interventionelles Bildgebungssystem im Programm, das sowohl mit innovativer KI als auch mit einem ergonomisch durchdachten Workflow überzeugt. Im Zentrum steht das KI-gestützte AutoRight-System, das in Echtzeit alle relevanten Bildparameter analysiert und automatisch die optimalen Einstellungen für jede klinische Situation wählt.
Besonderer Fokus liegt dabei auf der Reduktion der Strahlendosis bei gleichbleibend hoher Bildqualität – ein Vorteil, der nicht nur Patienten, sondern auch dem interventionellen Team zugutekommt. Die Plattform erkennt automatisch Veränderungen in der Patientenposition, passt die Bildgebung an und unterstützt so eine effiziente und sichere Durchführung auch komplexer Eingriffe.
Die Allia IGS 7 Plattform wurde zudem für ein möglichst intuitives Nutzer erlebnis entwickelt: Die Bedienung erfolgt über einen höhenverstellbaren Touchscreen, mit dem sich alle Workflows zentral steuern lassen. Durch die modulare Architektur und die Integration der Medis QFR-Technologie zur nicht-invasiven koronaren Funktionsanalyse ist das System bestens für die Zukunft gerüstet.

Die Zukunft ist dynamisch, lernfähig und präzise
Was diese vier Systeme gemeinsam haben, ist ihr Fokus auf intelligente Unterstützung – sei es durch KI, Deep Learning oder dynamische Navigationshilfen. Die Angiographie wird damit nicht nur präziser, sondern auch sicherer und effizienter. Für Radiologen und interventionelle Kardiologen bedeutet das eine erhebliche Entlastung bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung.Für Bernhard Renger ist klar: „Die Innovationszyklen werden kürzer, die Anforderungen an Bildgebungssysteme komplexer. Wer in der klinischen Praxis vorn bleiben will, sollte diese Entwicklungen nicht nur beobachten, sondern aktiv in die Technologieplanung einbeziehen.“ Technologien und Systeme wie OptiQ, Alpha Evolve, die Dynamic Coronary Roadmap und Allia IGS 7 zeigen eindrucksvoll, wohin die Reise geht – in eine Ära der intelligenten Angiographie.