Strahlenschutz durch Künstliche Intelligenz
Wie KI die Dosis in Röntgen und CT reduziert
Die Reduktion der Strahlenbelastung zählt seit jeher zu den Grundprinzipien der Radiologie. Mit dem „As Low As Reasonably Achievable“-Prinzip (ALARA) wird angestrebt, jede medizinische Exposition so gering wie möglich zu halten – ohne dabei die diagnostische Qualität zu beeinträchtigen. In der Praxis bedeutet das einen ständigen Spagat zwischen Bildqualität und Dosis.
Künstliche Intelligenz (KI) kann diesen Zielkonflikt nun auf eine neue Ebene heben – und dabei eine Schlüsselrolle im modernen Strahlenschutz übernehmen. KI-basierte Verfahren revolutionieren derzeit nahezu alle Bereiche der Bildgebung – von der Akquisition über die Bildrekonstruktion bis zur Auswertung. In der Dosisoptimierung entfaltet KI ihr Potenzial besonders deutlich in zwei Bereichen: in der Reduktion der benötigten Strahlendosis bei der Aufnahme und in der nachträglichen Bildverbesserung trotz niedriger Dosis.
DLIR Vergleichstabelle
Merkmal | Traditionelle Rekonstruktion | DLIR (Deep Learning Image Reconstruction) |
---|---|---|
Technologie | FBP oder iterative Rekonstruktion | KI-gestütztes neuronales Netz (Deep Learning) |
Rauschunterdrückung | Begrenzt (v. a. bei niedriger Dosis) | Sehr eff ektiv – auch bei Ultra Low Dose |
Rechenaufwand | Gering bis moderat | Hoch (GPU-basiert, aber effizient implementierbar) |
Bildqualität bei niedriger Dosis | Oft sichtbar eingeschränkt | Vergleichbar mit Full-Dose Aufnahmen |
Texturen und Kontraste | Teilweise weichgezeichnet oder artefaktbelastet | Sehr natürlich, hohe Detailtreue |
Trainingsbasis | Nicht notwendig | Große Datenmengen (low-/high-dose-Paare) |
Einsatzgebiete | Standard-CT · Notfall-CT | Screening, Pädiatrie, kardiale Bildgebung, onkologische Nachsorge |
DLIR eignet sich besonders für Low Dose Protokolle, bei denen klassische Verfahren an ihre Grenzen stoßen.
In der Radiographie und Compuertomographie (CT) wird dies bereits klinisch umgesetzt – mit teilweise beachtlichen Ergebnissen. Hersteller und Forschungseinrichtungen sprechen von Dosisreduktionen zwischen 30 % und 80 %, je nach Anwendung und Systemkonguration.
KI-gestützte Bildrekonstruktion: Mehr aus weniger
Ein zentraler Ansatz ist die KI-gestützte Bildrekonstruktion. Hierbei wird das Bildmaterial aus einer niedrigdosierten Aufnahme durch neuronale Netzwerke nachbearbeitet, um Rauschen zu entfernen, Kontrast zu optimieren und strukturelle Details hervorzuheben – ohne dass zusätzliche Strahlung erforderlich ist.
Vor allem in der Computertomographie ist dieser Ansatz mittlerweile etabliert. Systeme mit sogenannten Deep Learning Image Reconstruction (DLIR)-Algorithmen ermöglichen qualitativ hochwertige CT-Bilder trotz stark reduzierter Röhrenspannung oder Röhrenstromstärke.
Der Clou: Die KI wird mit Tausenden bis Millionen von Referenzbildern trainiert – sowohl hoch- als auch niedrig-dosiert – und lernt so, wie ein optimales CT-Bild aussehen sollte. Dadurch kann sie Rauschen und Artefakte herausrechnen, ohne diagnostisch relevante Informationen zu verlieren.
Anwendung in der Radiographie: KI am Bild
Auch in der konventionellen Projektionsradiographie kommen KI-Algorithmen zur Anwendung. Während hier keine komplexe Rekonstruktion notwendig ist, können Bildnachbearbeitungen wie KI-basiertes Entrauschen, Kantenverstärkung oder Kontrastanpassung dabei helfen, mit geringerer Dosis dennoch aussagekräftige Bilder zu erzeugen. Einige Systeme nutzen KI auch bereits präventiv in der Akquisitionsplanung: Sie schlagen automatisch geeignete Belichtungsparameter vor – basierend auf Patientengröße, Anatomie und früheren Untersuchungen. Das senkt nicht nur die Dosis, sondern verbessert auch die Reproduzierbarkeit der Untersuchungen.
Beispielhafte Dosisreduktionen durch DLIR in der CT
Untersuchungstyp | Standard-Dosis (CTDIvol) | Dosis mit DLIR | Reduktion in % | Bildqualität laut Studie* |
---|---|---|---|---|
Thorax-CT (Screening) | ~5 mGy | ~1,5 mGy | ca. 70 % | Gleichwertig |
Abdomen-CT | ~12 mGy | ~4–5 mGy | ca. 60 % | Gleichwertig bis besser |
Sinus-CT (präoperativ) | ~2 mGy | ~0,8 mGy | ca. 60 % | Gleichwertig |
Low Dose Lunge (Follow-up) | ~3 mGy | ~1 mGy | ca. 65 % | Leicht verrauscht, aber befundbar |
Kardio-CT (kalkreduziert) | ~10–15 mGy | ~4–6 mGy | ca. 55–65 % | Diagnostisch stabil |
Die Vorteile liegen auf der Hand: Eine reduzierte Strahlenexposition bedeutet mehr Sicherheit für Patienten – vor allem bei wiederholten Untersuchungen, bei Kindern oder in sensiblen Organregionen. Auch das radiologische Personal profitiert indirekt durch geringere Streustrahlung, insbesondere in interventionellen Umgebungen.
Zudem eröffnet die Dosisreduktion neue diagnostische Möglichkeiten: Schnellere CT-Protokolle, Low Dose Screenings oder der Einsatz in der Notfalldiagnostik wer-den durch die Kombination aus KI und niedriger Dosis klinisch praktikabler – ohne signifikanten Qualitätsverlust.
Herausforderungen und Grenzen
Trotz aller Fortschritte sind KI-basierte Dosisreduktionsverfahren kein Freifahrtschein. Der Einsatz muss validiert, die Algorithmen regulatorisch zugelassen und der Einfluss auf die diagnostische Genauigkeit systematisch überprüft werden. Auch gilt es, potenzielle Risiken – etwa durch „Halluzinationen“ von Bildinformationen – im Auge zu behalten.
Darüber hinaus sind viele Lösungen derzeit herstellerspezifisch und oft proprietär eingebunden – was die Vergleichbarkeit erschwert und die Integration in heterogene Systemlandschaften behindert. Standardisierungsinitiativen und offene Schnittstellen werden daher künftig eine größere Rolle spielen.
KI als Bestandteil moderner Strahlenschutzstrategien
Die KI-gestützte Dosisreduktion ist kein Zukunft sthema mehr – sie ist Realität im klinischen Alltag. Radiologen, Medizinphysiker und IT-Verantwortliche sind nun gefragt, die neuen Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen und in die bestehenden Qualitäts- und Strahlenschutzkonzepte zu integrieren. Denn eines ist klar: Die Zukunft der Bildgebung ist nicht nur präziser – sondern auch sicherer. Und Künstliche Intelligenz ist dabei der zentrale Hebel.

Kl senkt Strahlendosis - DLIR in der CT
WAS IST DLIR?
Deep Learning Image Reconstruction (DLIR) nutzt trainierte neuronale Netze, um verrauschte, niedrigdosierte CT-Auf-nahmen in hochwertige diagnostische Bilder umzuwandeln.
DLIR VS. KLASSISCHE REKONSTRUKTION
Klassisch (FBP / lterativ):
- Höheres Rauschen bei niedriger Oasis
- Geringer Rechenaufwand
- Teilweise unnatürliche Texturen
- Höhere Dosis nötig
BEISPIELHAFTE DOSISREDUKTIONEN (CTDLVOL)
- DLIR (KI-basiert)
- Stark reduzierte Rauschwerte
- GPU-unterstützte Verarbeitung
- Natürliche Bildtexturen
KLINISCHE VORTEILE
- Höhere Patientensicherheit
- Weniger Wiederholungen
- Ermöglicht Low Dose Screenings
- Ideal für Kinder & Onkologie
- Unterstützt ALARA-Strategien
HINWEISE & VORAUSSETZUNGEN
- Kl muss validiert und reguliert sein
- Integration in PACS / RIS nötig
- Bewertung durch Radiologen bleibt zentral
FAZIT
DLIR ermöglicht modernen Strahlenschutz – ohne Kompromisse bei der Bildqualität.