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Mit der jüngsten Erweiterung der Altersgruppe für das Brustkrebs-Screening in Deutschland, erwartet das Gesundheitssystem einen erheblichen Anstieg der Arbeitsbelastung für die Screening-Einheiten und -Zentren. Angesichts eines Mangels an Radiologen bietet die Künstliche Intelligenz (KI) eine vielversprechende Möglichkeit, deutschen Radiologiepraxen dabei zu helfen, die wachsende Nachfrage zu bewältigen. Die Integration von KI könnte nicht nur die Belastung für das medizinische Personal verringern, sondern auch die Patientenergebnisse verbessern.

Darstellung einer möglichen Overlay- Visualisierung der KI-Ergebnisse, direkt in die Bilder der analysierten Mammographie, am Beispiel des Visus PACS

Schätzung: 20 % mehr anspruchsberechtigte Personen 

Am 21. September 2023 kündigte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Erweiterung des Screening-Programms auf Frauen im Alter von 70 bis 75 Jahren an. Diese Entscheidung folgt den europäischen Brustkrebsrichtlinien, die auf dem erhöhten Brustkrebsrisiko im Alter basieren1. 

In Deutschland wurde diese Änderung des bestehenden Programms, das bisher Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren abdeckte, Mitte 2024 umgesetzt. Zwar soll die Erweiterung die Sterblichkeitsrate bei Frauen senken, doch stellt sie auch zusätzliche Herausforderungen für unsere Radiologieabteilungen dar, die sich mit einer immer größer werdenden Anzahl von Mammographien konfrontiert sehen. Es wird geschätzt, dass die Zahl der anspruchsberechtigten Personen um bis zu 20 %2 ansteigen wird, was die Arbeitsbelastung erheblich beeinflusst. 

Darstellung einer möglichen Arbeitslisten-Integration am Beispiel des Visus PACS

Angesichts dieses erwarteten Anstiegs der Arbeitslast, arbeiten einige Radiologen bereits daran, ihre Abläufe an die neuen Anforderungen anzupassen. Ein vielversprechendes Hilfsmittel zur Entlastung ist der Einsatz von KI. KI in der Radiologie zur Krebsfrüherkennung bedeutet, dass fortschrittliche Computeralgorithmen zur Analyse medizinischer Bilder, wie Mammographien, CT-Scans oder MRTs, eingesetzt werden. Diese Algorithmen werden darauf trainiert, Muster und Auffälligkeiten zu erkennen, die auf das Vorliegen von Krebs hindeuten könnten und unterstützen Radiologen, indem sie eine zweite Meinung liefern.


Kann KI den steigenden Druck lindern? 

Wir hatten die Gelegenheit, mit Dr. Sylvie Joos zu sprechen, einer erfahrenen Radiologin für Mammographie, die das Screening-Programm in Hamburg als eine der Programmverantwortlichen Ärztinnen leitet. „Die Erweiterung der Altersgruppe kommt zu einer Zeit, in der menschliche Ressourcen knapp sind“, sagt Dr. Joos. „Daher muss der Fokus bei der Planung auf der Erweiterung effizienter, digitaler und arbeitskraftsparender Lösungen liegen.“ Die Screening-Einheit Hamburg hat kürzlich angefangen KI zu implementieren, um ihre Brustkrebsvorsorge zu verbessern.

„ Ausschlaggebendes Argument für die Entscheidung zugunsten von Lunit AI war unter anderem die lokale Installation der KI vor Ort ohne notwendiges Cloudsystem sowie die kompetente und unkomplizierte Kommunikation mit dem LunitTeam.“ 
BU: Dr. Sylvie Joos, Programmverantwortliche Ärztin, Screening-Abteilung, Hamburg

In unserem Gespräch mit Dr. Joos ging es darum, die praktische Implementierung von KI in der Radiologie und deren Auswirkungen auf Radiologen zu verstehen. 

Dr. Joos, könnten Sie Ihre Erfahrungen mit dem traditionellen Mammographie-Screening und den Herausforderungen bei der Früherkennung von Krebs schildern? 

Die Herausforderungen in der Befundung von Screening-Aufnahmen liegen zum einen in der großen Anzahl zu befundender Aufnahmen, die von Tag zu Tag variieren können und angesichts abnehmender ärztlicher Kapazitäten und zunehmenden Screening-Volumens weiter ansteigen werden. Zum anderen stellt die Beurteilung dichter Mammae weiterhin eine diagnostische und zeitliche Herausforderung dar. Angesichts des geplanten Einschlusses der Altersgruppe der 45 bis 50-jährigen in das Screening, wird der Anteil dichter Mammae weiter zunehmen. 

Warum haben Sie begonnen, KI einzusetzen? Welche KI-Lösung haben Sie gewählt und wie haben Sie sich unter den verschiedenen Anbietern für diese Lösung entschieden? 

Dass die KI ein integraler Anteil in der Patientenversorgung der nahen Zukunft sein wird, ist absehbar. Im deutschen Mammographie-Screening setzten sich die Referenzzentren bereits seit einiger Zeit mit dem Einsatz von KI in unterschiedlichen Settings auseinander, zum Beispiel in der Auswertung der Intervallkarzinome. Um zukünftig die Implementierung der KI in die offizielle Befundungsstruktur zu ermöglichen, ist es unerlässlich, KI in einer großen Anzahl von Screening-Einheiten einzurichten und Expertise im Befunden mit KI zu generieren. In diesem Kontext sehen wir uns im Mammographie-Screening Hamburg ebenfalls in der Verantwortung, KI in unseren Workflow zu integrieren. 

Im Radiologieverbund Starvision, dem wir angehören, hat sich insbesondere Dr. Hilbertz (Die Radiologie München) mit dem Thema KI im Screening auseinandergesetzt. Nach konstruktivem Austausch haben wir uns für Lunit als Anbieter entschieden. Ausschlaggebendes Argument war unter anderem die lokale Installation der KI vor Ort ohne notwendiges Cloudsystem sowie die kompetente und unkomplizierte Kommunikation mit dem Lunit-Team. 

Betrachtet man die Herausforderungen, die Sie zuerst angesprochen haben, welche davon wollten Sie mit KI angehen und wie hat Lunits KI das Potenzial gezeigt, passende Lösungen für Ihre Situation zu bieten? 

Wir erhoffen uns vom Einsatz von Lunit eine Verringerung der durchschnittlichen Befundungszeit, eine Homogenisierung der Befunderperformance und Support in der Konsensuskonferenz, insbesondere hinsichtlich der (weitverbreitetend) zu hohen Recall-Rate der Erstteilnehmerinnen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es jedoch noch zu früh, um diese Effekte wahrnehmen zu können. 

Die Integration neuer Technologien kann herrausfordernd wirken. Dr. Joos, welche anfänglichen Bedenken hatten Sie bei der Integration von KI in Ihren bestehenden Workflow? 

Eine neue Technik in einer so großen Screening-Einheit wie der unseren einzuführen, stellt eine Herausforderung dar. Die Integration in den Mammoreport-Manager von Visus, die Anleitung und Akzeptanz der Befunder und deren verantwortungsvolle Nutzung des KI-Tools waren unsere vorrangigen Bedenken bezüglich der Implementierung. 

Dr. Joos, können Sie beschreiben, wie sich der Workflow mit Lunit AI während Ihrer Testphase entwickelt hat? 

Die KI in der Befundung zu nutzen bedeutet für die Befunder, diese auch wahrnehmen zu können, um ein Sicherheitsgefühl im Umgang entwickeln zu können. 

Hierzu haben wir die KI als Capture in das Hangingprotokoll integriert, um den eigenen Befund mit der KI-Klassifizierung abgleichen zu können. Ziel ist es, nach dieser Eingewöhnungszeit alleinig das Sicherheitsnetz zu hinterlegen. 

Die Hinzunahme der KI-Bewertungen in die Entscheidungen in der Konsensuskonferenz ist ein laufender Prozess, der Einfluss wird sich erst in einiger Zeit zeigen. 

In diesem Zusammenhang wird in der Zukunft ein besonderes Augenmerk auf der Auswertung der Screening-Aufnahmen der Intervallkarzinome und der T2-Karzinome der Folgerunde liegen.

Das deutsche Screening-Programm umfasst jetzt Frauen im Alter von 50 bis 75 Jahren und fügt jährlich 20 % mehr Untersuchungen hinzu. Wie sehen Sie die Auswirkungen der Alterserweiterung auf das Screening-Programm in Deutschland und wie bereiten Sie sich auf diesen Anstieg vor? 

Die Ausweitung des Screening-Programmes stellt in erster Linie neben den räumlichen und apparativen Ausweitungen ein große personelle Herausforderung dar. Insbesondere hinsichtlich der Mitarbeiter in der Bilderstellung sind die Resourcen sehr knapp. Jedoch werden sich angesichts des Renteneintrittsalters der geburtenstarken Jahrgänge auch die Befunderkapazitäten in den nächsten Jahren weiter reduzieren. Hier ist das kurzfristige Ziel die Befundungsgeschwindigkeiten über die Präsenz der KI zu erhöhen und die Abklärungsraten der Erstteilnehmer zu senken. Mittelfristig muss die KI jedoch in das Screening als alleiniger Befunder integriert werden. In welchem Rahmen dies geschehen kann, ob als Ersatz eines Befunders oder unter Aussortierung eines relevanten Anteils an unauffälligen Mammogrammen, bleibt noch zu diskutieren. 

Die europäischen Leitlinien zum Einsatz von KI

Der Einsatz von KI in den Brustkrebs-Screening-Programmen der Screening-Einheit Hamburg entspricht den europäischen Richtlinien3: Die Europäische Kommission empfiehlt im Rahmen der European Commission Initiative on Breast Cancer (ECIBC) den Einsatz von KI-unterstützter Doppel-Befundung gegenüber der herkömmlichen Doppel-Befundung ohne KI. Das bedeutet, dass die Richtlinien vorschlagen, KI als zusätzlichen Leser einzusetzen, um Radiologen bei der Beurteilung und Interpretation von Mammographien zu unterstützen. Durch die Integration von KI in den bestehenden Workflow können Radiologen ihre diagnostische Genauigkeit und Effizienz verbessern, was letztlich zu besseren Patientenergebnissen führt.


Über das Screening hinaus: KI für symptomatische Patienten

Wir haben uns auch mit Dr. Andreas Pomschar von DIE RADIOLOGIE getroffen, der KI nicht nur im Brustkrebs-Screening, sondern auch bei symptomatischen Fällen anwendet. Dadurch können schnellere und genauere Diagnosen für Patienten mit Symptomen gestellt werden. Dr. Pomschar und sein Team setzen die KI-Lösung von Lunit seit über zwei Jahren in ihrem täglichen Praxisalltag ein.

„ Die Entwicklung der KI im Gesundheitswesen, insbesondere in der Radiologie, hat in den letzten Jahren erheblich an Fahrt aufgenommen und wird sich noch weiter beschleunigen. Deutschland ist hier keine Ausnahme.“ 
Dr. med. Andreas Pomschar, 
Facharzt für Radiologie bei DIE RADIOLOGIE, München

Wie nutzt DIE RADIOLOGIE Lunit INSIGHT MMG im Workflow? 

Lunit INSIGHT MMG ist zu einem sehr wichtigen Bestandteil unseres Workflows in der Mammographie geworden. In unserem Zentrum setzen wir die KI sowohl im Rahmen des Brustkrebs-Screenings als auch bei der Untersuchung symptomatischer Patienten ein. Die KI unterstützt uns einerseits dabei, potenziell gefährliche Befunde sicherer zu identifizieren, andererseits hilft sie uns auch, unsere Spezifität zu verbessern und ungefährliche Befunde besser einzuordnen. Durch die Integration in unser PACS-System können wir die Ergebnisse der KI nahtlos in unseren Diagnoseprozess einfließen lassen, was sowohl Geschwindigkeit als auch Sicherheit der Befundung positiv beeinflusst. 

Sie nutzen Lunit AI seit über zwei Jahren – welche Vorteile haben Sie erlebt? 

Die Einführung der Lunit AI wird von unserem Team als sehr positiv bewertet. Einer der großen Vorteile ist die Reduktion von falsch positiven Befunden und die bessere Detektion von potenziell auffälligen Befunden. Insgesamt hat die KI unsere diagnostische Sicherheit erhöht. Auch die Akzeptanz und das Vertrauen der Anwender in die KI ist als sehr hoch zu bewerten. 

Könnten Sie näher auf die Lernkurve und die Anpassungen eingehen, die für die Integration von KI in Ihren Arbeitsablauf erforderlich sind? 

Die Implementierung der KI in unseren Workflow war ein einfacher Prozess, nicht zuletzt dank der guten Unterstützung durch das Team von Lunit. Die Lernkurve für die Anwender war sehr flach, da die Ergebnisse leicht verständlich und nachvollziehbar präsentiert werden. Wir mussten unsere Arbeitsabläufe nicht wesentlich verändern, um die Vorteile der KI optimal zu nutzen. Ein wichtiger Aspekt ist, die Ergebnisse der KI richtig zu interpretieren und sie in unseren diagnostischen Prozess zu integrieren, ohne die menschliche Expertise zu vernachlässigen. Mit der Zeit ist die KI zu einem sehr wertvollen Werkzeug geworden, das uns in unserer täglichen Arbeit unterstützt. 

Wie sehen Sie die Entwicklung von KI im deutschen Markt? 

Die Entwicklung der KI im Gesundheitswesen, insbesondere in der Radiologie, hat in den letzten Jahren erheblich an Fahrt aufgenommen und wird sich noch weiter beschleunigen. Deutschland ist hier keine Ausnahme. Wir beobachten, dass immer mehr Praxen und Kliniken die Vorteile der KI erkennen und entsprechende Lösungen implementieren. Ich bin überzeugt, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, insbesondere in Anbetracht des Fachkräftemangels wird KI immer mehr zu einem unverzichtbaren Teil unserer Arbeit. Die Technik wird permanent weiterentwickelt und liefert immer bessere Ergebnisse. Die Akzeptanz unter den Radiologen wächst und ich erwarte, dass KI in den kommenden Jahren zu einem unverzichtbaren Bestandteil in der Brustkrebsdiagnostik und der gesamten Radiologie werden wird.


Fazit 

Die Integration von KI in die Brustkrebsvorsorge stellt einen bedeutenden Fortschritt bei der Bewältigung der Herausforderungen dar, die sich aus einer wachsenden Zahl von Vorsorgeuntersuchungen und einem Mangel an Radiologen ergeben. Während KI-Tools wie die Lunit KI vielversprechende Lösungen bieten, indem sie die diagnostische Genauigkeit und Effizienz verbessern, hängt ihre erfolgreiche Implementierung von einer sorgfältigen Integration in bestehende Arbeitsabläufe und fortlaufender Unterstützung sowohl durch Technologieanbieter als auch durch medizinisches Fachpersonal ab. Mit der Weiterentwicklung der KI wird ihre Rolle in der Brustkrebsdiagnostik voraussichtlich weiter zunehmen und wertvolle Unterstützung bei der Bewältigung der erhöhten Arbeitsbelastung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung hoher Standards der Patientenversorgung bieten. 

1 https://www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise/nachrichten/detail/mammographie-screening-demnaechst-fuer-frauen-bis-75-jahren 

2 https://www.kbv.de/html/1150_65561.php 

3 https://cancer-screening-and-care.jrc.ec.europa.eu/ en/ecibc/european-breast-cancer-guidelines?topic=64&usertype=60&filter_1=102&updatef2=

www.mammascreening-hamburg.de 

www.die-radiologie.de 

www.lunit.io/en