Es waren zwei Themen, die die Industrieausstellung des ECR 2023 ganz klar dominierten: Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit. Nach einem kurzen Intermezzo im Sommer 2022 fand der European Congress of Radiology 2023 wieder zur gewohnten Zeit – in der ersten Märzwoche – in Wien statt. Gleichzeitig stieg die Teilnehmerzahl im Vergleich zum Vorjahr deutlich an.
Nachhaltigkeit
Beim Thema Nachhaltigkeit geht es den Unternehmen nicht nur darum, ihren Kunden energiesparende Systeme zur Verfügung zu stellen. Vielmehr legen nun zahlreiche Hersteller sehr viel Wert darauf, nicht nur den Energieverbrauch entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren, sondern auch die Ressourcen zu schonen und sowenig wie möglich Abfall zu erzeugen. Irgendwo habe ich eine Grafik gesehen und fotografiert: Wussten Sie, dass das Gesundheitswesen für 4,4 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist? Das ist mehr als die gesamte Luftfahrt oder Schifffahrt verbraucht!
Workflow KI
Bei der Künstlichen Intelligenz weiß man eigentlich gar nicht, wo man anfangen soll, so zahlreich und unterschiedlich sind die einzelnen Anwendungen. Am besten probiere ich es einfach der Reihe nach: Zum einen gibt es die Workflow-KI. Dabei geht es darum, die administrativen Prozesse zu beschleunigen und den Arbeitsablauf effizienter zu gestalten. Das beginnt bei der Terminvereinbarung, geht über die Anmeldung bis hin zum Ausfüllen der untersuchungsspezifischen Formulare und endet bei der automatisierten Befunderstellung.
Dazwischen kümmern sich so genannte Workflow-Orchestratoren darum, dass die entscheidenden Informationen immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sind. Jeder Radiologe bekommt die Bilder zu sehen, die er am besten befunden kann. Gleichzeitig achtet das System darauf, dass die Arbeitslisten einzelner nicht zu lang werden und dass Patienten mit auffälligen Befunden vorgezogen werden.
Alles in allem geht es darum, Workflows zu individualisieren, zu standardisieren und zu automatisieren.
Automatisiert Befunde erkennen
Bei der Pixel-KI handelt es sich um den Bereich, der momentan weitestgehend mit KI in Verbindung gebracht wird: dem Clinical Decision Support, also der automatisierten Befunderkennung. Dabei taucht immer wieder die Frage auf, ob diese Form der KI wohl bald den Radiologen ersetzen wird. Doch wer diese Frage stellt, hat die Aufgabenstellung für die KI noch nicht ganz verstanden.
Im Clinical Decision Support wird KI dazu verwendet, die Radiologen von repetitiven, fehleranfälligen Aufgaben zu befreien. Normalbefunde, die den Großteil aller radiologischen Untersuchungen ausmachen, kann die KI sicher erkennen. Damit bleibt den Radiologen mehr Zeit, sich – eventuell auch gemeinsam in Konferenzen – um die schwierigen Fälle zu kümmern. Leider steigen in der westlichen Hemisphäre aufgrund der demographischen Entwicklung die Untersuchungszahlen stetig an. Die Bevölkerung altert und wächst gleichzeitig. So wird es in etwa um 2050 mehr Personen auf der Erde geben, die älter als 70 sind, als 1950 insgesamt auf der Erde gelebt haben.
Systemnahe KI
Weiterhin war auf dem ECR zu sehen, dass künstlich intelligente Algorithmen immer mehr direkt auf den Gerätekonsolen zu finden sind. Kameras werten die Konturen von Körpern aus, um den Patienten mit nur einem Knopfdruck richtig im CT zu positionieren und gleichzeitig das richtige Untersuchungsprotokoll vorzuschlagen. Beim MR werden Sequenzen beschleunigt und Scanzeiten deutlich verkürzt. Ultraschallsysteme erkennen automatisiert Strukturen und optimieren selbständig die Scanparameter. Der Technik sind derzeit kaum Grenzen gesetzt.
Knackpunkt Validierung
Die Möglichkeiten, mithilfe von KI die Herausforderungen der modernen Radiologie zu meistern, sind vielfältig. Doch den einen oder anderen Wermutstropfen gibt es noch: Das ist zum Beispiel die Validierung der unterschiedliche Algorithmen. Diese findet derzeit ausschließlich anhand klinischer Studien statt. Wünschenswert wäre eine technische Überprüfung ähnlich wie bei Röntgensystemen und CTs üblich: Prüfkörper drauf, Aufnahme oder Scan anfertigen, Bildqualität beurteilen, fertig. Aber bis es dazu kommt, vergeht wohl noch ein wenig Zeit. Noch positionieren sich in den europäischen Ländern unterschiedliche Gremien, die sich erst auf eine Systemvalidierung einigen müssen. Doch einen besseren Zeitpunkt mit KI zu beginnen als jetzt, gibt es wohl kaum. Auch wenn noch nicht alles perfekt ist. Der Weg vom Einzeiler bis zum Photon-Counting-CT dauerte auch mehrere Jahrzehnte.
Ich freue mich bereits auf den ECR 2024, wenn das Motto lautet: Next Generation Radiology.