Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in digitalen Röntgenarbeitsplätzen birgt das Potenzial, die klinische Radiologie grundlegend zu verändern. Frank Barzen, DR Business Manager EMEA bei Agfa Radiology Solutions, beschreibt im Gespräch mit Guido Gebhardt, wie KI bei Agfa in unterschiedlichen Modalitäten eingesetzt wird und welche Auswirkungen dies auf klinische Behandlungsfragen hat.
Welche Anwendungsbereiche sehen Sie für KI an Röntgensystemen?
Zunächst einmal gibt es zwei Hauptanwendungsbereiche für KI in der Radiologie: Assistenzsysteme für den Bildakquisitionsprozess und Systeme zur frühzeitigen Erkennung von Pathologien. Beide Bereiche haben signifikante Auswirkungen auf die klinischen Behandlungspfade.
Agfa unterscheidet diese beiden großen Bereiche klar voneinander. Zum einen gibt es die Point-of-Care-KI, die sich mit ungenutztem Potenzial für verbesserte Patientenversorgung, Dosiskonsistenz und Reduzierung von Fehlern bei der Akquisition von Röntgenaufnahmen befasst. Dazu gehören Aspekte wie die Patientenpositionierung, Untersuchungsvorbereitung, Effizienzsteigerung, Arbeitsabläufe und das Training für weniger erfahrene Anwender. All dies fassen wir unter dem Begriff SmartXR zusammen.
Zum anderen gibt es die diagnostische KI, die verschiedene Begriffe wie Computer-Aided-Diagnosis und Decision-Support-Tools umfasst. Diese Technologien werden unter der Bezeichnung ScanXR im Unternehmensbereich von Agfa geführt.
Können Sie uns kurz beschreiben, was wir uns unter den SmartXR-Assistenzsystemen für den Bildakquisitionsprozess vorstellen können?
Ein wesentliches Element unserer Assistenzsysteme ist SmartPositioning. SmartPositioning bietet visuelle Rückmeldungen auf dem Röhrendisplay oder der MUSICA Acquisition Workstation, um die MTRs bei der Auswahl der Dosismesskammern und der richtigen Kollimation zu unterstützen, deren Fehleinstellung häufig zu Wiederholungsaufnahmen führt.
Wir haben berechnet, dass in einem Krankenhaus, das 365 Tage im Jahr arbeitet und täglich 50 Patienten behandelt, bis zu 2.233 Wiederholungsaufnahmen pro Jahr vermieden werden können. Dies entspricht einer Zeitersparnis von etwa 111 Stunden pro Jahr.
Ein weiteres Element ist LiveVision. Diese Funktion nutzt eine Kamera, um das Live-Bild des Patienten während der Exposition zu überwachen. Dies hilft, Bewegungen des Patienten zu erkennen und die Positionierung zu überprüfen. Zudem können Fotoaufnahmen während der Exposition erstellt werden, die zusätzliche Informationen zur Patientenpositionierung, Fremdkörpern oder zu Haut-und Wundzuständen liefern.
Um die Bildqualität bei mobilen Röntgengeräten zu standardisieren, zeigt SmartAlign die Röhrenausrichtung zum Detektor in Echtzeit an. Dies verhindert Verzerrungen im Röntgenbild und reduziert ebenfalls Wiederholungsaufnahmen. Außerdem haben wir mit SmartDose eine 3D-Kamera, um den Patientenkörper zu erfassen und Empfehlungen für eine korrekte Belichtung zu geben, was besonders für weniger erfahrene Anwender nützlich ist und die Strahlendosis optimiert.
SmartPatientView ermöglicht wiederum die Erstellung von Fotoaufnahmen zur Dokumentation von Zusatzinformationen, die bei der Befundung hilfreich sein können. Und SmartRotate dreht automatisch Aufnahmen in die korrekte Ausrichtung, basierend auf der erkannten Körperregion. Dies spart Zeit und reduziert Fehler bei der Bildausrichtung.
Das sind ja alles ganz smarte Funktionen. Aber jetzt interessiert mich auch noch, was ScanXR so alles kann.
Mit ScanXR wechseln wir jetzt von der Bildakquise zur Befundunterstützung. Mit CriticalScan verfügen wir über ein richtig umfangreiches Werkzeug. Diese Software nutzt Algorithmen, um zehn verschiedene kritische Pathologien in Thoraxaufnahmen zu erkennen. Der KI-Algorithmus bietet sofortige Rückmeldungen und markiert verdächtige Areale im Bild. Wobei der Anwender bestimmen kann, welche Pathologien überwacht werden sollen und wo die Schwellwerte liegen, um die Anzahl der falsch-positiven Ergebnisse zu minimieren.
Mit DensityScan verfügen wir über ein System zur frühzeitigen Erkennung von Osteoporose. Damit werden routinemäßige Röntgenaufnahmen des Handgelenks und Unterarms ausgewertet, um die Knochenmineraldichte und den T-Score zu bestimmen. Dies hilft, Risikopatienten zu identifizieren. Vergleiche mit Dexa-Scannern zeigen eine Genauigkeit von 93 Prozent.
Welche Vorteile bietet KI an Modalitäten?
Die Integration von KI in digitale Röntgenmodalitäten bietet zahlreiche Vorteile. Durch die Reduzierung von Wiederholungsaufnahmen kommt es zu einer signifikanten Zeitersparnis und schnelleren Diagnosen. Des Weiteren sorgt eine verbesserte und standardisierte Bildqualität für verlässlichere Ergebnisse. Außerdem erhöhen die Optimierung der Strahlendosis und eine bessere Überwachung der Patienten die Sicherheit. Und die Möglichkeit, Fotos zu erstellen, liefert den Radiologen Zusatzinformationen und mehr Kontext für ihre Diagnosen.
Ich bin davon überzeugt, dass die kontinuierliche Weiterentwicklung von KI-Systemen in der Radiologie zu weiteren Effizienzsteigerungen und besseren klinischen Ergebnissen führen wird. Erste Installationen von DensityScan in Großbritannien zeigen bereits vielversprechende Ergebnisse. Weitere Installationen – auch in Deutschland – werden im weiteren Verlauf des Jahres folgen.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die weitere KI-basierte Entwicklung von Modalitäten aus?
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass KI-basierte Systeme in digitalen Röntgenmodalitäten erhebliche Verbesserungen in der Patientenversorgung und Effizienz der radiologischen Prozesse bringen können. Sie ermöglichen eine frühzeitige Erkennung von Pathologien und bieten Unterstützung bei der Bildakquisition, was letztendlich zu besseren klinischen Ergebnissen führt.
Mit diesen Fortschritten bieten KI-integrierte Röntgensysteme eine vielversprechende Zukunft, in der Patienten schneller und effizienter diagnostiziert und behandelt werden können. Das wird nicht nur die Arbeitslast für medizinisches Fachpersonal verringern, sondern auch die Qualität der Patientenversorgung erheblich verbessern.