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Im Rahmen des RÖKO digital setzten sich mehrere Experten mit der Frage auseinander, welche Rolle „New Work“ in der Radiologie spielen kann. Alle Referenten standen dem Thema äußerst positiv gegenüber, waren sich aber auch darüber einig, dass es die perfekte Lösung noch nicht gibt. Vielversprechende Ansätze machten jedoch Mut für Zukunft.

Der Begriff „New Work“ begegnet einem in der Arbeitswelt immer häufiger. Dr. Lucia Danny Beissel, Assistenzärztin aus Bonn, erklärte in ihrem Impuls-Vortrag zunächst, was mit dem Begriff eigentlich genau gemeint ist: „New Work bedeutet, selbstbestimmt zu arbeiten und sich selbst zu verwirklichen.“ Der vermehrte Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf und die stetig steigende Arbeitsbelastung, unter anderem aufgrund des Fachkräftemangels, seien zwei Gründe, warum „New Work“ immer wichtiger werde – auch in der Radiologie. Beissel machte deutlich, dass eine Umstrukturierung in der Radiologie notwendig sei, um die Profitabilität zu steigern, Prozesse zu verbessern und die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen. Langfristig führe dies dazu, dass man wettbewerbsfähig bleibe. 

New-Work-Konzepte

Dr. Lucia Danny Beissel stellte mehrere New-Work-Konzepte vor, die bei der Umstrukturierung helfen könnten. Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort spielt dabei eine große Rolle. Homeoffice, Jobsharing und interdisziplinäre Coworking spaces können laut Beissel dabei helfen, einem Burnout vorzubeugen, neue Kooperationen zu entdecken und andere Kollegen oder Fachbereiche besser zu verstehen. „Auch das Remote-Scanning gewinnt immer mehr an Wichtigkeit, gerade unter dem Aspekt der Dezentralisierung“, so Beissel. Ebenso sei es wichtig, Hierarchien zu lockern, oder sogar aufzulösen. „Wie wäre es, wenn Führungsaufgaben an die Mitarbeiter übertragen werden, die fachlich in der Lage sind, diese zu übernehmen, unabhängig von ihrem Ausbildungsstatus?“ fragte Beissel. 

Deep Focus Work

Theresa Rüttinger vom Uniklinikum Erlangen stellte in ihrem Vortrag den Aspekt der Deep Focus Work vor. Hierbei handelt es sich um einen Zustand, in dem man ohne Ablenkung mit maximaler Konzentration arbeitet, und seine kognitiven Fähigkeiten ans Limit pusht. „In diesem Zustand schafft man es, Werte neu zu schöpfen und seine Fähigkeiten zu verbessern“, erklärte Rüttinger, ergänzte aber gleichzeitig, dass dieser Zustand nicht leicht zu erreichen sei, da man viel zu oft abgelenkt werde. „In der interventionellen Radiologie ist Deep Focus Work noch eher möglich, aber im Bereich der Schnittbildgebung wird man regelmäßig durch Telefonanrufe, Rückfragen von Mitarbeitern oder E-Mails bei der Befundung unterbrochen“, so die Assistenzärztin. Um dennoch produktiv arbeiten zu können, sollte man Rituale und Routinen entwickeln und einen festen Zeitraum am Tag einplanen, in dem man zum Beispiel das Telefon ausstellt. Hier seien auch Führungskräfte gefordert, Lösungen zu finden. 

Vielen falle es zudem schwer, nur über eine Sache nachzudenken und alle anderen Gedanken auszublenden. „Das kann man trainieren“, meinte Rüttinger, und empfahl, sich einmal bewusst zu machen, wie oft man sich ablenken lässt. Der Blick in die Social-Media-Kanäle sei zum Beispiel ein sehr häufiger Ablenkungsgrund. Mit einem gezielten „Social-Media-Fasten“ könne man für sich selbst überprüfen, ob einem überhaupt etwas fehlt und was man tatsächlich verpasst hat. „Wer es schafft, den Zustand der Deep Fokus Work zu erreichen, ist erfolgreicher in seinem Privat- und Arbeitsleben und zudem äußerst wertvoll für die Gesellschaft und die Wirtschaft“, so das Fazit der Radiologin. 

Zeitersparnis durch KI

PD Dr. Gerlig Widmann, geschäftsführender Oberarzt der Universitätsklinik für Radiologie in Innsbruck, beschäftigte sich mit der Frage, ob mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) mehr Zeit für Patienten gewonnen werden kann. Er stellte eine Studie vor die belegte, dass bei der digitalen Brusttomosynthese (DBT) KI dazu beitragen kann, schneller Befunde zu erstellen und zusätzlich die Sensitivität und Spezifität zu steigern. Eine weitere Studie zeigte eine um 20 Prozent schnellere Lesezeit durch Anwendung von KI bei einer Computertomographie des Thorax. Generell könne KI zu einer Effizienzsteigerung in der gesamten Bildgebungskette beitragen. Widmann: „Nun stellt sich die Frage, wofür man die Zeitersparnis nutzen möchte: Für mehr Untersuchungen, oder für mehr Zeit für die Patienten?“ 

Shared Leadership

Prof. Dr. Michael Fuchsjäger, Vorstand der Universitätsklinik für Radiologie in Graz, ging auf das Konzept des Shared Leadership im Rahmen von New Work ein. Dabei wird die Führung auf mehrere Personen aufgeteilt, wodurch von der Diversität der Meinungen, Perspektiven und Erfahrungen profitiert werden kann. „Angesichts der hohen Burnout-Raten in der Radiologie könnte das ein Konzept mit Zukunft sein“, so Fuchsjäger. Er bezog sich auf eine Studie aus den USA, die eine Burnout-Rate von 29 % unter Ärztlichen Direktoren und von 37,4 % unter Fachärzten der Radiologie ergab. Eine internationale Studie der University of Massachusetts belegte dagegen, dass Shared Leadership zu höherer klinischer und akademischer Produktivität führen kann.

Fuchsjäger fasste das Konzept mit dem Begriff „geteilte Verantwortung bei doppelter Kompetenz“ zusammen. Er betonte aber auch, dass die Herausforderungen darin lägen, mit einer Stimme zu sprechen und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen zu dürfen. Zudem funktioniere dieses Modell nicht mit jeder Persönlichkeit. Von Vorteil sei es, wenn sich die Beteiligten schon länger kennen würden. Der Experte ist davon überzeugt, dass Shared Leadership in Zukunft ein festes Konzept in der Radiologie sein muss.

Abschließend riefen alle Redner dazu auf, sich auf das Experiment „New Work“ einzulassen und die Möglichkeiten, die sich einem jetzt schon bieten, zu nutzen. 

Autorin: Sonja Buske