„Ich sehe die Sprache als Schlüsselelement, um die Distanz zwischen Arzt und Patient zu überbrücken“, so leitete Dr. med. Markus Vogel, Chief Medical Information Officer (CMIO) bei Microsoft Deutschland, das European Healthcare Media-Meet-Up von Microsoft in Berlin Anfang April ein.
Während des Events wurde eine von Microsoft und Nuance durchgeführte Studie vorgestellt, die die Auswirkungen von KI auf die medizinische Dokumentation und die Arzt-Patienten-Beziehung in Deutschland und Europa beleuchtet. Die Untersuchung zeigt, wie KI-basierte Dokumentation es Ärzten ermöglicht, sich mehr auf ihre Patienten zu konzentrieren. Das wiederum fördert das Vertrauen und das Wohlbefinden der Patienten und könnte auch noch Behandlungskosten senken.
Patienten wünschen sich mehr KI
Ein Ergebnis der Studie war, dass medizinisches Personal aufgrund von Fachkräftemangel und steigender Dokumentationslast sich oft überlastet fühlt, was die Qualität der Patientenbetreuung beeinträchtigt. Eine KI-gestützte Lösung könnte helfen, diese Belastungen zu reduzieren, indem sie die Dokumentation automatisiert und den Ärzten mehr Zeit für die Patienteninteraktion gibt, so die Schlussfolgerung von Vogel.
Er verwies zudem auf die Feststellung, dass viele Patienten den Wert von KI-basierten Dokumentationslösungen erkennen und diese begrüßen. Rund 40 Prozent der befragten Patienten in Deutschland befürworten den Einsatz von KI zur Unterstützung der Ärzte bei der Dokumentation.
Die Studie basiert auf Umfragen unter 13.500 Patienten aus elf Ländern, einschließlich Deutschland, und hebt die Notwendigkeit hervor, digitale Technologien zur Verbesserung der Arzt-Patienten-Interaktion und zur Entlastung des medizinischen Personals weiter zu entwickeln.
Erster Rollout in Hannover
Bisher wird in den Krankenhäusern in der Regel während des Patientengesprächs fleißig in die Tastatur getippt. Dabei sind Ärzte oft mehr mit ihrem Computer beschäftigt als mit den Patienten. Diese Situation will Barbara Nayeb im Klinikum Region Hannover ändern. Als IT-Projektmanagerin für Krankenhausdigitalisierung steuert sie am Klinikum aktuell die Implementierung von Dragon Medical. Die KI-basierte Spracherkennungssoftware für die Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen wurde von dem zu Microsoft gehörenden Unternehmen Nuance entwickelt. Die Software wird via Smartphone und Desktop mit einem Mikrofon genutzt.
Mitte letzten Jahres hat man in Hannover mit dem Rollout begonnen. Nun ist der Umzug in die Cloud geplant. „Damit das gut funktioniert, müssen wir auch die Mitarbeitenden mitnehmen“, erklärt Steffen Grebner, Leiter der Zentralbereiche IT und Beschaffungsmanagement des KRH Klinikums Region Hannover. Bisher klappt das jedoch ganz gut – die Lösung kommt beim medizinischen Personal und auch bei den Patienten gut an. „Nicht nur haben die Ärzte mehr Zeit für ihre Patienten, sondern auch auf finanzieller Ebene lohnt sich der Einsatz, da durch detailliertere Dokumentation mehr Leistungen abgerechnet werden können“, fasst Nayeb zusammen.
Ärzte nehmen gute Tools schnell an
Peggy Séjourné, Chief Operating Officer von dem französischen Radiologie Start-Up Milvue, hat sich auf die Bereitstellung von technischen Versorgungslösungen spezialisiert. Das Unternehme unterstützt Radiologen, schnellere Diagnosen zu stellen, die Arbeitsabläufe der Patienten besser zu verwalten und sich effizienter auf die Patienten zu konzentrieren.
Ein wichtiger Schritt dahin ist die Etablierung von KI-Lösungen für das Medical Imaging und den automatisierten radiologischen Befund. „KI befähigt Radiologinnen und Radiologen, das zu tun, worin sie Experten sind – zu entscheiden, was das Beste für ihre Patienten ist“, findet Séjourné. Sie berichtet, dass ihrer Erfahrung nach Ärzte in der Diagnostik nach kurzer Zeit von einem „doctor first, AI second“ zu einem „AI first, doctor second“-Ansatz wechseln, wenn die Tools gut genug sind und sich das Vertrauen der Behandler erarbeitet haben.
Wie es auch in Deutschland in Sachen KI-Nutzung weitergehen könnte, demonstriert Dr. Jeffrey Cleveland, Facharzt für Pädiatrie und Chief Medical Information Officer bei Atrium Health. Atrium Health ist ein US-amerikanisches Krankenhausnetzwerk. In den Krankenhäusern findet der „DAX Copilot“ Einsatz. Die Lösung erstellt auf sichere Weise klinische Notizen, indem sie Patientenbesuche in der Praxis und in der Telemedizin mit Zustimmung des Patienten direkt in Haiku, der mobilen Anwendung von Epic, aufzeichnet und einen Notizenentwurf zur sofortigen Überprüfung und Vervollständigung durch den Arzt erstellt. Das System ist vollständig in die elektronische Gesundheitsakte (EPA) von Epic integriert.
Sprachgesteuerte Dokumentationslösungen werden sich wohl in Zukunft in den Gesundheitseinrichtungen immer mehr durchsetzen. Das dazu notwendige Change Management trifft in diesem Fall auf eine gute Ausgangslage, denn die Vorteile liegen für Ärzte auf der Hand: Die unliebsame Schreibarbeit wird von einer KI übernommen und sie können sich wieder mehr ihren Patienten widmen.
Alle Bilder (C) Microsoft