Guido Gebhardt sprach mit Dr. Johannes Schmidt-Tophoff, Vorstand der Curagita AG und Sekretär des Radiologienetz Deutschland, der als Branchenkenner und Finanzexperte gilt, über die Zukunft der Radiologie.
Herr Schmidt-Tophoff, seit 1999 bieten Sie mit der Curagita ein diversifiziertes Angebot für alle nicht-medizinischen Bereiche der Radiologie an. Dabei liegt Ihr Fokus auf den niedergelassenen radiologischen Praxen. Wie sehen Sie die Zukunft der Radiologie?
Wir beschäftigen uns schon seit langem mit der Zukunft beziehungsweise mit zukünftigen Konzepten in der Radiologie. Bereits 2006 haben wir auf dem Röntgenkongress ein systematisches Zukunftsszenario mit Teilnehmern aus akademischen Lehrkrankenhäusern, der Industrie, ausgewählten Zuweisern und niedergelassenen Radiologen aufgestellt.
Dabei konnten wir schon damals erkennen, dass das Interesse an Betreibermodellen für Praxen zunahm, da immer mehr Radiologen immer kürzer arbeiten wollten. Obwohl es genügend Radiologen gibt, wird heute oft von Personalmangel gesprochen. Denn es ist nicht nur der Wunsch nach geregelten Arbeitszeiten und mehr Freizeit gestiegen, sondern zugleich die Anzahl der Untersuchungen und der dabei zu verarbeitenden Bilder.
Das Problem der Generation Z betrifft also auch die Radiologie?
Die Generation Z und auch die Generation Y sind ein allseits bekanntes Thema. Das größere Thema in der Radiologie stellen jedoch die Generation X und die Babyboomer dar, also in etwa unsere Altersgruppe 50+. Während Y und Z kürzer und anders arbeiten wollen, sind die Babyboomer und die Generation X gerade dabei, die Arbeitsbelastung deutlich zu reduzieren und ihre Praxisanteile zu verkaufen. Und das trifft die Praxen, denn die Generation X sind die „Selbstausbeuter“ und die Unternehmer, für die der Nachwuchs fehlt.
Die ersten Anzeichen dieser Entwicklung waren, wie bereits erwähnt, vor mehr als 15 Jahren zu erkennen. Deshalb haben wir uns zusammen mit unseren Mitgliedspraxen für ein genossenschaftliches Modell entschieden: Der Arzt schließt sich der Betreibergesellschaft an und wird gleichzeitig Anteilseigner.
In gewisser Weise kann man die Curagita dann ja als Vorreiter der aktuellen Entwicklung sehen?
Nicht ganz. Das MVZ-Modell war äußerlich ähnlich, aber im Gegensatz zur heute üblichen Private Equity-Beteiligung verblieb die Mehrheit bei freiberuflichen und angestellten Radiologen. Die Curagita hat die Betreibergesellschaft gemanagt und sämtliche Shared Services gestellt.
Deswegen würde ich uns nicht als Vorreiter bezeichnen. Wir waren meiner Meinung nach eher (second best) Gegenmodell, so wie die Edeka-Genossenschaft gegen große Einzelhandelsketten oder die Expert gegen Metro und Saturn. Aber es hat nicht so funktioniert, wie wir es vorhatten.
Denn erstens: die jungen, gut verdienenden Radiologen, die sich Betreibergesellschaften anschließen, haben heute keine Lust mehr, sich zu beteiligen und wollen kein Risiko eingehen.
Und zweitens: Unser Angebot war damals danach ausgerichtet, dass die Praxen sich irgendwann in die Betreibergesellschaft einbringen und zum Teil in Aktien bezahlt werden. Dadurch, dass nun so viele Investoren unterwegs sind, die horrende Preise bezahlen, kam es jedoch anders. Sodass sogar damalige Verfechter des freien Berufs unter den Ersten waren, die an Private Equity verkauft haben.
Stellt sich da nicht die Frage wie die hohen Preise jemals refinanziert werden sollen?
Sie wissen ja, die Bewertung von Praxen ist mein Steckenpferd. Die hohen Preise sind betriebswirtschaftlich nur aufgrund der Niedrigzinsphase zu verstehen. Hohe Kaufpreise werden mit günstigem Fremdkapital „gehebelt“, so dass die Eigenkapitalrendite hoch bleibt und der Weiterverkauf verspricht noch höhere Multiples. Sobald der Zins um ein oder zwei Prozentpunkte steigt, wendet sich das Blatt. Meiner Meinung nach sind derzeit bereits 25 bis 30 Prozent aller Radiologen in der Hand von Finanzinvestoren und ich glaube, dass sich der Anteil in den nächsten drei Jahren noch mal verdoppeln wird. Bei den hohen Preisen kann ich jeden Radiologen verstehen, der seine Praxis verkauft.
In der Finanzcommunity gab es in den letzten Jahren einen großen Hype speziell im deutschen Gesundheitswesen. Dahinter stehen Finanzinvestoren, die erstens vielleicht nicht so viel Erfahrung mit einem regulierten System wie dem deutschen Gesundheitswesen haben und auch nicht wissen, dass die Durchsetzung ihrer monetären Interessen am primär leistungserbringenden, kaum zu ersetzenden und rechtlich vielfach geschützten MVZ-Radiologen scheitern kann.
Zweitens besteht die Möglichkeit, dass sich die Finanzsituation schnell ändert, wenn die Rahmenbedingungen für die Vergütung (zum Beispiel GOÄ- Reform) neu strukturiert werden. Dann könnten einige viel Geld verlieren. Dazu kommt die politische Diskussion um eine stärkere Regulierung von investorengetriebenen MVZ.
Meiner Meinung nach kauft Private Equity zu teuer ein.
Welche Herausforderungen gibt es denn momentan in der Radiologie? Jeder spricht von Künstlicher Intelligenz, die dabei helfen soll, Prozesse effizienter zu machen aber in Deutschland sind bisher kaum Systeme im Einsatz. Woran liegt das Ihrer Meinung nach und woran scheitert es?
Es ist selten so eine Einigkeit zu erkennen, wie bei künstlich intelligenten Systemen: Alle sind sich einig, dass an KI kein Weg vorbeiführen wird. Ein Radiologe schrieb mal: „KI wird Radiologen nicht ersetzen, aber KI wird den Radiologen ersetzen, der nicht mit KI arbeitet.“ Da bin ich mir sicher.
Ich bin mir auch sicher, dass bereits zahlreiche Testsysteme im Einsatz sind. Es ist jedoch kaum jemand bereit, dafür zu zahlen, solange die Frage der Refinanzierung nicht geklärt ist und er mehr Aufwand als Nutzen hat, zumal er die KI trainiert und seine Daten einspeist.
Sinkt die Vergütung, muss die Radiologie noch effizienter werden, das steht fest. Die Effizienz ließe sich in zahlreichen Betrieben aber auch noch über eine (digitale) Optimierung des Workflows erhöhen. Dazu zähle ich ebenfalls Verfahren wie die Teleradiologie, Enterprise Imaging oder Remote Scanning, nicht zuletzt auch die honorar- und ressourcenoptimierte Dienstplanung oder die volldigitale Administration.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist sicherlich auch die Nachhaltigkeit sowie die Optimierung der Energiekosten. Bei uns im Netzwerk sind gerade deshalb MRTs, die weniger Energie und bis kein Helium verbrauchen, ein großes Thema. Helium ist knapp und teuer. Ohne Helium braucht man kein Quenchrohr mehr.
Wie wird die Radiologie in Zukunft Ihrer Meinung nach aussehen?
In unserem derzeit in Überarbeitung befindlichen Zukunftsszenario sehen wir, dass sich die Organisationsformen der Praxen, Praxisnetzwerke beziehungsweise Verbünde weiter ausdifferenzieren werden. Ich kann mir vorstellen, dass große Radiologiebetreiber mit 600 bis 700 Millionen Umsatz, wie es sie im Ausland bereits gibt, auch nach Deutschland kommen werden.
Meines Erachtens warten aber alle ab, bis den Private Equity-Investoren wegen steigender Zinsen und weiter rückläufiger Vergütungen die Lust vergeht.
Außerdem gibt es noch Gesundheitsunternehmen wie die Sana, die an Med360 beteiligt ist und privaten Versicherungen gehört. Das könnte dazu führen, dass bei uns ähnliche HMO-Strukturen entstehen, wie mit Kaiser Permanente in USA und sich Versicherer selbst um die Versorgung ihrer Mitglieder kümmern.
Und um nochmal zur Digitalisierung, die mehr als nur KI umfasst, zu kommen. Das ist der Haupttrend. Hier erscheinen noch andere Szenarien als denkbar: Wenn die Modalitäten mithilfe von Künstlicher Intelligenz einfach zu bedienen sind und zuverlässig valide Gesamtbefundung liefern, könnte es sein, dass beispielsweise Orthopäden oder Kardiologen keine zusätzliche radiologische Expertise mehr benötigen und die MRT selbst betreiben.
Momentan steckt die Radiologie so voller Möglichkeiten, dass das Zukunftsszenario vielschichtig und voller paralleler Entwicklungen ist.